Am 15.12.2021 hätte der Haushalt der Stadt Bürstadt für das Jahr 2022 verabschiedet werden sollen. Obwohl alle Fraktionen im Vorfeld sich mit dem Haushaltsentwurf zufrieden gezeigt hatten, wurde in der letzten Sitzung des Stadtverordnetenparlaments in diesem Jahr - zum Teil im Umgang miteinander recht unwürdig - überraschend die Beschließung des Haushalts in das kommende Jahr verschoben.
Einige Fraktionen hatten Wünsche geäußert, dass nachträglich noch Einarbeitungen in den Haushalt stattfinden sollen. Einmal ganz davon abgesehen, dass all diese Wünsche bereits hätten rechtzeitig angemeldet und dann auch entsprechend hätten berücksichtigt werden können, wurde dennoch in ebendieser Sitzung beschlossen, dass all diese Wünsche noch eingearbeitet werden. Es hätte einer Vertagung der Beschlussfassung über den Haushalt damit nicht bedurft. Ein heilloses Tohuwabohu und in sich widersprüchliche Beschlussfassungen waren die Folge.
Dennoch wollen wir Ihnen unsere Haushaltsrede nicht vorenthalten:
"Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
turbulent, außergewöhnlich und herausfordernd - so hat unsere Bürgermeisterin in ihrer Neujahrsansprache das hinter uns liegende Jahr 2020 beschrieben. Doch diese Attribute treffen genauso auch auf den heute vor uns liegenden Haushalt für das Jahr 2022 zu.
Wir haben bereits gehört, dass sich die Einnahmenseite sehen lassen kann: Es wird erwartet, dass der Anteil an der Einkommensteuer für die Stadt Bürstadt im Vergleich zum Vorjahr um ca. 1 Million € steigen wird. Bereits in 2020 konnte für die Gewerbesteuer von einem Rekordergebnis gesprochen werden. Der Haushalt zeigt auf, dass sich dieser Trend auch 2021 fortsetzt und mit Gewerbesteuereinnahmen in Höhe von ca. 6,2 Million € in 2022 gerechnet wird.
Dennoch: Unser Haushalt ist nicht ausgeglichen! Aber es wird immer wieder darauf verwiesen, dass er trotzdem genehmigungsfähig ist. Dies ist nicht selbstverständlich - erst recht nicht in Pandemiezeiten. Das ist auch meiner Fraktion bewusst.
Uns ist durchaus bewusst, dass dieser Haushalt keine großen Spielräume aufweist, die uns erlauben würden, auf der Ausgabenseite großartige Kürzungen vorzunehmen. Ein Großteil der Ausgaben fällt auf sogenannte Pflichtaufgaben, die unsere Stadt von Gesetzes wegen erfüllen muss und derer Kosten wir uns nicht einfach so entledigen können.
Zu diesen aus diesen Ausgaben zählen z.B. solche für unsere Kinderbetreuung, Personalaufwendungen für unsere Mitarbeiter in der Verwaltung und Kosten für Straßenbau und Straßensanierung.
Im Bereich der Personalausgaben entfällt ein Großteil auf allgemeine Lohnsteigerungen, Stufensteigerungen, Auszahlung von Überstunden und Zeitzuschlägen wie z.B. Corona-Sonderzahlungen.
Auch wurde Geld bereitgestellt für Neueinstellungen. Hier erfreut uns insbesondere, dass im Haushalt Gelder bereitstehen für zwei zusätzliche Stellen im Ordnungsamt. Die FDP hat bereits in diesem Jahr einen entsprechenden Antrag eingebracht, der zum Inhalt hat, dass unser Ordnungsamt um zwei weitere Stellen im Außendienst verstärkt werden soll. Denn Ziel unseres Antrages ist es zu erreichen, dass Ordnungspolizeibeamte auch außerhalb der regulären Dienstzeit, z.B. abends und am Wochenende in Bürstadt für Recht und Ordnung sorgen. Die Tatsache, dass bereits im Haushalt Gelder für diese zwei zusätzlichen Stellen bereitgestellt wurden, lässt uns hoffen, dass unser Antrag im kommenden Jahr positiv entschieden werden kann.
Uns ist zwar durchaus bewusst, dass die Einrichtung dieser zwei neuen Stellen mit einem hohen finanziellen Aufwand verbunden ist. Wir sind jedoch davon überzeugt, dass hier der Nutzen dieser zusätzlichen Stellen deutlich überwiegt. Von daher handelt es sich aus unserer Sicht um notwendige Kosten, um unsere Stadt künftig nicht nur sicherer, sondern auch sauberer und lebenswerter gestalten zu können.
Ein weiterer großer Anteil entfällt auf Investitionen wie z. B. den Bildungs- und Sportcampus. Da die Entscheidung zu diesem Projekt und damit auch die Rahmenbedingungen hierfür bereits vor Jahren getroffen wurden, sind wir an bereits geschlossene Verträge und Beschlüsse gebunden. Auch hier ist kaum Einsparpotential vorhanden. Deshalb werde ich auf solche Ausgaben auch nicht weiter eingehen.
Auch der Kreisumlage, ein Batzen von ca. 14,5 Millionen €, können wir uns nicht entziehen.
Wenn man allerdings bedenkt, dass die Kreisumlage im Jahr zuvor ungefähr mit 1 Million € weniger zu Buche geschlagen hat, empfinde ich es als ein Unding, dass der Kreis einseitig, ohne Rücksprache mit den Kommunen, die Umlage während der Pandemie um ein Prozent angehoben hat. Der Kreis fragt nicht, wie die Kommunen dies stemmen können. Nein. Die Kommunen haben einfach zu bezahlen, ein Mitspracherecht steht uns nicht zu.
Kürzungen könnte man ohne weiteres dort vornehmen, wo es sich um freiwillige Leistungen der Stadt handelt. Uns allen ist allerdings bewusst, dass dies in Bürstadt lediglich zwei größere Ausgabenblöcke umfasst: Es handelt sich hierbei um die Ausgaben für unser Freibad und um die Vereinsförderungen.
Unsere Vereine sind jedoch das Rückgrat unserer Stadt. An den Vereinsförderungen wird hier sicherlich keiner der hier Anwesenden rütteln wollen.
Auch muss man zugeben, dass Bürstadt nicht über allzu viele Freizeiteinrichtungen verfügt, die die gesamte Familie besuchen kann. Deshalb wird auch keiner der hier Anwesenden tatsächlich in Erwägung ziehen wollen, unser Freibad zu schließen.
Die SPD hat zwar vorgeschlagen, die Bemessung der Kosten für Sach- und Dienstleistungen pauschal um 7,5 % zu kürzen. Dies ist durchaus möglich. Hierauf wurde bereits aus dem Kämmereiamt hingewiesen. Laut Berechnungen der SPD würde dies eine Verbesserung des Haushaltes in Höhe von ca. 540.000 € bedeuten.
Die SPD bezeichnet eine solche Kürzung nicht nur als möglich, sondern auch als sinnvoll. Doch hierüber kann man geteilter Ansicht sein:
Im Rahmen der Haushaltswirtschaft sind die sogenannten Haushaltsgrundsätze stets zu beachten. Ziel dieser Haushaltsgrundsätze ist es, die öffentliche Verwaltung und Öffentlichkeit von möglichen Verlusten, unkorrekten Daten und fehlerhaften Informationen weitestgehend zu schützen und für eine einheitliche Haushaltsführung und ordnungsgemäße Finanzwirtschaft zu sorgen.
Zu diesen Grundsätzen gehört auch der Haushaltsgrundsatz der Haushaltswahrheit. Das Gebot der Haushaltswahrheit beinhaltet, dass die zukünftigen Einnahmen und Ausgaben möglichst exakt berechnet bzw. geschätzt werden. Deshalb sind Haushalte grundsätzlich konservativ zu erstellen.
Wir geben der SPD Recht, dass durchaus zu erwarten ist, dass die von der Verwaltung veranschlagten Kosten für Sach- und Dienstleistungen - so wie in den vergangenen Jahren auch – in 2022 nicht vollständig ausgeschöpft werden. Die Ursache hierfür ist z. b., dass sich die Durchführung von geplanten Maßnahmen verzögert, sodass Kosten, die in dem einen Haushaltsjahr eingestellt waren erst im darauffolgenden Jahr tatsächlich abgerufen werden.
Dennoch muss man auch berücksichtigen, dass die einzelnen Verwaltungsabteilungen die von Ihnen geschätzten Kosten nicht einfach gewürfelt haben. Wir sind davon überzeugt, dass die einzelnen Abteilungen sorgfältig die bei ihnen entstehenden notwendigen Kosten geprüft und berechnet haben.
Demnach handelt es sich bei den eingestellten Kosten für Sach- und Dienstleistungen nicht um einen willkürlich entstandenen Betrag, sondern um die ehrliche Einschätzung seitens der Verwaltung, welche Kosten entstehen werden, wenn die Planungen und Prognosen wie im Vorfeld bedacht auch eintreten werden.
Darüber hinaus besteht über alle Fraktionen hinweg Konsens dahingehend, dass im Fall einer Kürzung dennoch – wenn auch nachträglich – Gelder bewilligt werden würden, wenn diese nachträglich dann doch benötigt werden würden. Vor diesem Hintergrund wäre eine pauschale Kürzung dieser eingestellten Kosten in der Tat lediglich Kosmetik, um den Haushalt so schick wie möglich aussehen zu lassen. Dem Grundsatz der Haushaltsehrlichkeit würde man jedoch nicht gerecht.
Die Tatsache, dass die Verwaltung die finanziellen Spielräume, die ihr der Haushalt im Rahmen der Sach- und Dienstleistungen zur Verfügung stellt, ist zudem kein Anzeichen dafür, dass der Grundsatz der sparsamen Haushaltsführung nicht eingehalten wird, sondern vielmehr ein Beweis dafür, dass dieser Grundsatz ernst genommen wird.
Ich will es gleich vorwegnehmen: Meine Fraktion wird dem vorliegenden Haushalt die Zustimmung erteilen. Denn wenn wir ehrlich sind, enthält dieser Haushalt nicht viel Spielraum, der uns erlauben würde, insbesondere auf der Ausgabenseite großartige Kürzungen vorzunehmen.
Als unsere Bürgermeisterin den Haushalt eingebracht hat, hat sie sich des Bildes eines Orchesters bedient. Um in diesem Bild zu bleiben muss ich nun leider doch noch warnend auf die Pauke hauen:
Es wäre fatal davon auszugehen, dass die Genehmigungsfähigkeit dieses Haushalts ein Erfolg unserer eigenen Leistung wäre.
Demjenigen, der den Haushalt aufmerksam gelesen hat, wird nämlich aufgefallen sein, dass die Genehmigungsfähigkeit unseres Haushaltes nur auf einer coronabedingten Sonderregelung beruht. Diese Sonderregel hat nämlich zum Inhalt, dass ausnahmsweise kein Einvernehmen mit der oberen Aufsichtsbehörde und auch kein Haushaltssicherungskonzept erforderlich ist, wenn noch genügend Rücklagen zur Verfügung stehen. Diese Sonderregelung wird es jedoch künftig nicht mehr geben und es wird in Zukunft für uns deutlich schwerer werden einen genehmigungsfähigen Haushalt auf die Beine zu stellen.
Wir sollten es demnach tunlichst vermeiden uns auf die Schulter zu klopfen und uns für den vorliegenden Haushalt zu loben. Vielmehr sollten wir alle Anstrengungen darauf verwenden uns Konzepte zu überlegen, wie wir künftig ohne irgendwelche Sonderregelungen nicht nur genehmigungsfähige, sondern im besten Fall auch ausgeglichenen Haushalte zustandebringen werden.
Dies dürfte auch der Grund sein, weshalb man auch bereits dem Entwurf des Haushaltes als aufmerksamer Leser den Hinweis auf eine mögliche Erhöhung der Realsteuern, nämlich der Grund- und Gewerbesteuern, entnehmen kann. Wir sollen wohl so möglichst schonend auf kommende Steuererhöhungen vorbereitet werden.
Wir werden nicht umhin kommen uns Gedanken darüber zu machen, wie wir dennoch die Ausgaben im Bereich unserer Pflichtaufgaben erheblich senken können.
Zu denken ist hierbei z.B. daran, ob es sinnvoll sein könnte einen Zweckverband für den Bereich unserer Kinderbetreuung zu gründen.
Auch steht schon seit einigen Jahren zur Diskussion, ob wir uns im Bereich unserer Kläranlage mit anderen Kläranlagenbetreibern oder Zweckverbänden zusammenschließen sollen. In der Vergangenheit wurde hier an einen Zusammenschluss mit dem KMB oder auch mit der Kläranlage in Mannheim gedacht.
Wir sollten in diesen beiden Bereichen keine weitere Zeit vergeuden, sondern uns schnellstmöglich die notwendigen Informationen darüber verschaffen, ob und gegebenenfalls welche Form einer Zusammenarbeit möglich, sinnvoll und auch zukunftsfähig ist.
Aber auch im Bereich eines Zusammenschlusses der Kläranlage muss zugegeben werden, dass es alleine mit einem Zusammenschluss nicht getan sein wird: Bereits in den vergangenen Gesprächen mit dem KMB wurde uns deutlich gemacht, dass im Bereich unserer Kläranlage noch erhebliche Investitionen notwendig sind, damit wir überhaupt die Voraussetzungen erfüllen, in den KMB überhaupt aufgenommen werden zu können. Ich gehe davon aus, dass auch ein Anschluss an die Kläranlage in Mannheim ähnliche Voraussetzungen vorsehen wird. D. h., dass wir nochmals erhebliche Investitionen tätigen müssen, um überhaupt in den Genuss eines Zusammenschlusses mit anderen Kläranlagen kommen zu können.
Ich blicke auch auf die gestrige Sitzung des Bauausschusses zurück: Dort wurde der Sachstand sowohl zum Wohnraumentwicklungskonzept als auch zum Wohnungslosenkonzept erläutert. Deutlich wurde, dass wir ebenfalls nicht umhinkommen werden zusätzlichen, bezahlbaren Wohnraum in Bürstadt zu schaffen. Die Rede war von der Schaffung von ca. 1.100 bis 1.300 zusätzlicher Wohnungen. Auch hierfür werden wir in Zukunft noch große Investitionen tätigen müssen.
Ich weise auch auf Folgendes hin: Uns allen ist bewusst, dass der Klimawandel nicht vor unseren Stadttoren halt machen wird. Mit gutem Grund wurde deshalb die Stelle eines Klimaschutzmanagers geschaffen.
Mit gutem Grund gibt es Anstrengungen ein Klimaschutzkonzept für Bürstadt zu erarbeiten.
Aber Klimaschutz gibt es nicht zum Nulltarif.
Der Kreisbergstraße hat bereits ein Klimaschutzkonzept für sich entwickelt. Sofern all diejenigen Maßnahmen, die dieses Konzept umfasst, umgesetzt werden sollten, wird dies Kosten für den Kreis i.H.v. 250.000.000 € bedeuten. Wenn wir dies einmal herunterrechnen auf die Einwohnerzahl Bürstadts so käme ein entsprechendes Konzept für unsere Stadt auf Kosten i.H.v. 5.000.000 €.
Uns muss klar sein, wenn wir über Klimaschutz nicht nur sprechen wollen, sondern diesen auch entsprechend in unserer Stadt umsetzen wollen, müssen wir Geld in die Hand nehmen und zwar richtig viel Geld.
Für Bobstadt wurde eine Untersuchung abgeschlossen, die Handlungsempfehlungen enthält, wie die Bobstädter vor Überflutungen und den Folgen von Starkregenereignissen geschützt werden können. Für die übrigen Stadtteile steht dies noch aus.
Uns muss jedoch auch klar sein, dass auch die Umsetzung solcher Maßnahmen, ebenfalls nicht für Lau zu haben sein werden. Der vorliegende Haushalt enthält jedoch noch keine solche Investitionen für den Klimaschutz oder den Schutz vor Starkregenereignissen. In die künftigen Haushalte wird dies jedoch Eingang finden müssen.
Unsere Bürgermeisterin hatte sich in ihrer Neujahrsansprache gewünscht, dass wir uns in diesem Jahr viele Lichtblicke schenken. Ich glaube dieser Wunsch hat sich nicht erfüllt. Mir jedenfalls fallen spontan keinerlei nennenswerte Lichtblicke ein. Ganz im Gegenteil: Wir stochern im tiefsten Nebel. Denn wir haben es geschafft, im Juli die Straßenbeiträge komplett abzuschaffen ohne jedoch ein Konzept für die Gegenfinanzierung parat zu haben. Der Straßenbau kostet uns jährlich über 5 Millionen €. Doch auch gegenwärtig, also fast ein halbes Jahr später, haben wir immer noch keine Antwort dafür, wie zukünftig und vor allem langfristig diese Kosten gestemmt werden können. Aus unserer Sicht war es ein fataler Fehler, die Straßenbeiträge ohne Not einfach so ersatzlos zu streichen.
Wenn ich dann vor diesen Hintergründen höre, dass wir mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf für 2022 den Gipfel der Investitionen erreicht hätten, muss ich dem entschieden entgegentreten.
Ein Klimaschutzkonzept für unsere Stadt liegt noch nicht einmal vor. Dementsprechend können wir auch noch überhaupt nicht absehen, welche Kosten hier noch auf uns zukommen werden. Aber eines ist sicher: Maßnahmen für den Klimaschutz werden wir auch in Bürstadt treffen müssen. Vor dieser Verantwortung werden wir uns nicht einfach wegducken können.
Ebenso verhält es sich mit den Maßnahmen zum Hochwasserschutz, mit unserer Kläranlage und auch den Investitionen in den Straßenbau.
Die Zeiten für zu kurz gedachte Schaufensteranträge sind eindeutig vorbei! Wir benötigen eine Idee, wie Bürstadt in Zukunft bezahlbaren Wohnraum schaffen, notwendige Investitionen in die Infrastruktur und auch in den Klimaschutz stemmen will. Lasst und das angehen und dabei Maß und Ziel wahren.
Andernfalls laufen wir Gefahr in Zukunft keinen genehmigungsfähigen Haushalt zustande bringen. Wenn dies geschehen sollte, wird uns sicherlich als aller Erstes das Schwimmbad von oben herab gestrichen werden – und das wird nur der Anfang sein.
Vielen Dank!"